Fällt es Dir auch manchmal schwer, bei Stress im Familienalltag die Ruhe zu bewahren?
Im Alltag mit Kindern gibt es etliche Situationen, die den Puls höherschlagen lassen, uns nervös oder ungeduldig werden lassen.
Ein Beispiel: Du musst los zu einem dringenden Termin oder hast schon zahlreiche Gedanken im Kopf über die Dinge, die am Tag zu erledigen sind und die Kinder widmen sich morgens seelenruhig ihren Spielsachen. Oder haben alle Zeit der Welt sich anzuziehen. Schnell steigen in solchen Alltagssituationen Stressgefühle auf, der Körper reagiert, in dem beispielsweise der Puls steigt, die Stimme lauter wird. Der Körper reagiert blitzschnell mit einem Wechsel in den Kampf, Flucht oder Erstarrungszustand. Ein evolutionsbiologisches Überbleibsel der menschlichen Entwicklung.
Fragst Du dich manchmal auch, was Du dann tun kannst, um in solchen Momenten einigermaßen gelassen zu bleiben? Oder wie Du dich schnell beruhigen kannst, um nicht genervt zu reagieren, sondern die Ruhe zu bewahren?
Wir können lernen, die Reaktionen unseres Körpers auf Stress mehr wahrzunehmen und als Warnsignal zu sehen, bevor wir wütend oder genervt reagieren. Dazu ist hilfreich zu wissen, wie unser eigener Körper in stressigen Situationen reagiert.
Insbesondere können Atemübungen dabei helfen, die körperlichen Reaktionen bewusster wahrzunehmen.
Beispielsweise indem wir lernen unseren Atem als eine als Art körperlichen Anker im Stress zu nutzen.
Das bewusste Wahrnehmen des Atmens hilft dabei, die körperlichen Stressreaktionen zu unterbrechen und wieder zu reduzieren. Dadurch kann der Körper wieder zur Entspannung gelangen.
In diesem Artikel möchte ich Dir aufzeigen, wie es zur körperlichen Stressreaktion kommt und wie Du in solchen Momenten aufkommenden Stress abbauen kannst, um mehr Ruhe bei Stress zu bewahren.
Wie reagiert der Körper bei Stress?
In unserer heutigen Zeit haben sich die Stressauslöser verändert, aber die Prozesse im Gehirn und Körper sind noch immer denen unserer Vorfahren gleich und können durch Stress im Familienalltag ausgelöst werden. Wir müssen dabei nicht mehr wie unsere Vorfahren um unser Überleben kämpfen, aber die Reaktion unseres Körpers entspricht in stressigen Momenten so als ginge es noch immer darum. Auch wenn es lediglich um das morgendliche Chaos geht.
Aber wir sind in der Lage, diese Reaktionen in uns wahrzunehmen und bewusst zu stoppen.
Unser Organismus ist bestrebt, ein „inneres Milieu“, die sog. Homöostase aufrecht zu erhalten. In Stresssituationen gerät er allerdings durcheinander und versucht gleichzeitig durch beständige Anpassungsprozesse das Ungleichgewicht zwischen dem Ist- und Sollzustand des Organismus auszugleichen. Solange die äußeren Lebensbedingungen weitgehend gleichbleibend sind, funktioniert die Selbstregulation (vgl. Kaluza). Wenn allerdings Reize auftreten, die neu sind, eine starke Abweichung darstellen oder plötzlich Auftreten von außen oder innen hervorgerufen, – kommt es zu einer Stressreaktion.
Evolutionsbiologisch war diese Fähigkeit von Lebewesen ein Überlebensvorteil, da es gelang, flexibel auf unterschiedliche Reaktionen zu reagieren (vgl. ebd.).
Körperliche Auswirkungen einer Stressreaktionen können beispielsweise folgende sein:
- Gehirndurchblutung wird gesteigert – Informationen können dadurch blitzschnell aufgenommen und verarbeitet werden
- Blockaden in Gedächtnisinhalten entstehen
- Bronchien erweitern sich und die Atmung wird schneller – Brustatmung verstärkt sich
- Der Schwerpunkt der Atmung wird auf das Einatmen gelegt und die Ausatmung wird weniger tief, dadurch wird mehr Sauerstoff aufgenommen
- Durch eine bessere Durchblutung des Herzens steigen der Blutdruck und die Herzschlagrate an
- Kalte Hände und Füße treten auf, da sich Blutgefäße verengen und das Blut umverteilt wird für eine bessere Durchblutung und Energieversorgung von Herz, Gehirn und Muskeln.
- Die Muskelspannung ist erhöht, besonders die der Schulter-, Nacken- und Rückenmuskulatur. Instinktiv wird der Schultergürtel hochgezogen und der Bauch angespannt.
- Motorische Reflexe sind verbessert, Körper bereitet sich auf Muskelarbeit vor
- Der Stoffwechsel verändert sich
- Verdauungstätigkeit wird gehemmt und der Speichelfluss reduziert
- Schweiß tritt vermehrt auf, vor allem an Händen oder Achseln
- Immunfunktionen werden gedrosselt, um überschießende Reaktionen des Immunsystems zu verhindern
- Die vermehrte Ausschüttung von Endorphinen vermindert die Schmerzempfindlichkeit. Diese hält aber nur einen kurzen Zeitraum an, was dazu führt, dass es über einen längeren Zeitraum zu einer erhöhten Schmerzempfindlichkeit kommt.
Auf diese Art ist der Körper nun optimal vorbereitet für die Flucht vor der drohenden Gefahr oder bestens gewappnet für einen bevorstehenden Kampf.
Nur kommt es in unserem Alltag zwar nicht mehr in der Art vor, dass wir um unser Überleben kämpfen müssen, dennoch gibt es etliche Situationen, die unser Alarmsystem derart hochfahren und aktivieren wie damals im Überlebenskampf.
Die biologischen Stressreaktionen sind uns also erhalten bleiben und wir müssen noch immer lernen, damit in unserem heutigen Alltag umzugehen.
Ist die Stressreaktion erst einmal überwunden, reagiert der Körper mit Entspannung. Auch unsere Vorfahren erlebten dies nach einem Kampf oder der Flucht vor Gefahren.
Wie kannst Du deine körperliche Anspannung wieder herunterfahren?
Der eigene Atem ist ein effektiver Helfer, um bei Stress die körperliche Anspannung wieder zu reduzieren.
Diese drei Übungen können dir im Alltag helfen, bei Stress die Ruhe zu bewahren und sind ein Stoppsignal, um den Autopiloten wieder zu beenden.
Diese Übungen kannst du vor allem überall und jederzeit anwenden. Du brauchst keine große Vorbereitung, sondern Du kannst die Übungen genau an dem Ort und zu der Zeit anwenden wo Du dich gerade befindest.
1. Innehalten und den Boden spüren
Schau Dir noch einmal kurz die Auflistung der körperlichen Reaktionen in Stresssituationen an. Erkennst Du dich und deinen Körper an einigen Stellen wieder?
Versuche in der nächsten stressigen oder angespannten Situation kurz innezuhalten, auf den Körper zu achten und wahrzunehmen, wo Du gerade jetzt in diesem Moment die Anspannung und den Stress spüren kannst.
Gerade in Situationen mit Kindern beginnen wir auch uns schnell in Rage zu reden und immer mehr zu erklären – halte hier kurz inne, anstatt weiterzureden und zu argumentieren. Konzentriere Dich ganz auf deinen Körper und spüre, wo Du gerade die Anspannung merkst.
Stell dir vor, wie Du die Anspannung durch deinen Atem weicher werden lassen kannst.
Konzentriere ganz bewusst auf deine Füße und den Boden unter deinen Füßen, der dich erdet.
Nimm dann ein paar tiefe Atemzüge und schau, ob es Dir hilft, mit der Situation nun anders umzugehen oder darauf zu blicken.
2. Eine Atempause einlegen
Mit der Atempause können wir ebenfalls Stressreaktionen unterbrechen.
Wenn Du die Atempause öfter übst, reichen mit der Zeit sogar lediglich ein paar Atemzüge aus, um dem Gehirn zu signalisieren, dass es aus den Flucht-, Kampf- und Erstarrungsmodus wieder beenden darf und den Autopiloten abstellen kann.
Nimm dir für diese Übung ca. 5-7 Minuten Zeit. Schau mal wie es gerade in deinen Alltag passt. Für diese Übung kannst Du deine Augen schließen.
Nimm einige ruhige Atemzüge und vertiefe dann immer mehr deinen Atem. Atme tiefer ein als Du es sonst gewohnt bist und dann lange wieder aus. Versuche wahrzunehmen wo Du im Körper gerade den Atem am meisten spüren kannst. Manchmal ist das eher im Bauchbereich, manchmal eher im Brustbereich. Konzentriere Dich immer wieder und wieder auf deine Einatmung und deine Ausatmung. Gedanken dürfen dabei jederzeit auftauchen. Nimm diese wahr ohne zu bewerten und lass sie wieder weiterziehen. Wiederhole das für einige weitere Atemzüge.
3. Langes Ausatmen
Die Veränderung des Atems in stressigen Momenten ist eine typische körperliche Reaktion auf den Stress. Gleichzeitig haben wir aber auch die Fähigkeit, unseren Atem selbst zu regulieren. Das ist anders als bei anderen körperlichen Reaktionen auf die einen weniger direkten Einfluss haben.
Im Stress erweitern sich die Bronchien, die Atmung wird häufig schneller und flacher und findet vor allem im Brustbereich statt anstelle über das Zwerchfell.
Automatisch wird die Atmung mehr auf die Einatmung anstatt der Ausatmung gelegt. Um deine Atmung wieder ins Gleichgewicht zu bringen, kannst du nun ganz bewusst den Fokus auf die Ausatmung legen.
Dabei hilft es zu zählen:
1 – 2 – 3 – 4 – Einatmen
5 – 6 – 7 – 8 – 9 – 10 – Ausatmen
Du kannst das ganz nach Belieben verändern, achte aber darauf, dass das Ausatmen ein wenig länger ist als dein Einatmen.
Spürst Du, wie sich dein Atem wieder reguliert?
Ein Tipp zum Schluss:
Schreib Dir die drei Übungen auf einen kleinen Zettel, welchen Du in die Hosentasche steckst oder an den Kühlschrank hängst, – so hast Du die kleinen Interventionen für die nächste Situation direkt parat.
Erzähle mir gerne in den Kommentaren, welche Möglichkeiten Du für dich gefunden hast, um bei Stress die Ruhe zu bewahren!
Mehr Impulse und Ansätze um deinen Körper in stressigen Situationen zu beruhigen bekommst du im Kurs „Mindful Compassionate Parenting“.
Quellenangaben in diesem Text:
Kaluza, G. (2018): Stressbewältigung . Trainingsmanual zur psychologischen Gesundheitsförderung. 4. Aufl. Springer Verlag: Berlin.
Trackbacks/Pingbacks