Ja, Achtsamkeit ist in aller Munde und vielleicht denkst, warum denn auch noch Achtsamkeit für Eltern? Ich finde es gut, dass immer mehr über das Thema Achtsamkeit gesprochen wird, denn es hat seine Berechtigung.
Insbesondere hilft mir eine achtsame Haltung in stressigen Phasen zwischen Beruf und Familie mit den vielfältigen Anforderungen und Herausforderungen.
In diesem Artikel möchte ich Dir heute erzählen, wie mich Achtsamkeit in stressigen Zeiten im Familienalltag stärkt. Ebenso was sich für mich geändert hat, seit ich mit dem Thema Achtsamkeit für Eltern beschäftige.
Mein eigener Weg
Als ich begonnen habe, mich mit dem Thema Achtsamkeit intensiver zu beschäftigen, war ich gerade noch in Elternzeit mit meinen kleinen Jungs (Zwillinge) und kurz vor dem Wiedereinstieg in den Beruf.
Somit wurden die vielfältigen Anforderungen und Herausforderungen nicht weniger. Ich merkte, wie ich an manchen Tagen das Gefühl hatte, die wundervollen Momente mit meinen Kindern nicht mehr wahrzunehmen. Vieles habe ich nur als anstrengend empfunden und wahrgenommen.
Die Freude und Leichtigkeit, die die Zeit mit den Kindern mit sich brachte, wichen manchmal einer Schwere und großen Erschöpfung.
Ich hatte schon einiges rund um das Thema Achtsamkeit gehört und schon länger damit geliebäugelt, einen MBSR-Kurs zu besuchen. In einer Phase, in der mir dann wirklich alles zu viel wurde und nicht mehr genau wusste, wie ich mit der Anstrengung, die der Alltag mit sich brachte, umgehen soll, bin ich ins Handeln kommen.
Ich hatte das Gefühl, mich in einem kleinen Strudel an Gedankenspiralen zu verlieren. Daher suchte ich mir einen passenden Kurs, buchte diesen, um mehr über das Thema Achtsamkeit zu lernen.
8 Wochen ein Abend für mich und meine Gedanken, neue Impulse und zur Ruhe kommen. Das war ein kleiner Lichtblick und hat mir im Nachhinein genau das gebracht, was ich mir so sehr erhofft hatte.
Sobald ich an diesen Ort kam, senkte sich irgendwann ganz automatisch meine innere Unruhe. In der kleinen Runde durfte jeder Gedanke und jedes Gefühl seinen Platz haben.
Die Reise auf dem Weg zu mehr Achtsamkeit für Eltern hatte hier ihren Startpunkt. Wichtige Marker auf diesem Weg waren für mich im nächsten Schritt die Weiterbildung „Achtsamkeit mit Kindern und Jugendlichen“ sowie zuletzt die Ausbildung als „Teacher für Mindful Compassionate Parenting“: Weniger Stress im Elternsein durch Achtsamkeit und Selbstmitgefühl für Eltern.
Wohin führt die Reise?
Meine kleine Achtsamkeitsreise hat kein konkretes Ziel und auch keine zeitlich definierte Dauer. Sie endet nicht und noch immer bin ich unterwegs, mal schneller, mal langsamer.
Manchmal mache ich eine längere Pause.
Nach und nach packe ich in meinen Reiserucksack Übungen, Gedanken, Erinnerungen, die mir im Alltag helfen. Nach Bedarf packe ich diese aus und manchmal muss ich schon gar nicht mehr den Rucksack aufmachen dazu. Es reicht allein die Erinnerung daran, dass es da etwas in meinem Rucksack zu gibt, was mir hilft.
Es ist weiterhin auch noch viel Platz in diesem Rucksack.
Dabei gibt es kein richtig und kein falsch. Auch brauche ich mir keinen Druck machen oder ein schlechtes Gewissen haben, wenn im Alltag mal wieder alles anders läuft als ich mir das vorstelle. Aber ich kann immer mehr behutsam und ohne Wertung mir anschauen, was gerade wirklich los ist und Dinge wieder verändern.
Mit kleinen Übungen und dieser Haltung fällt es mir leicht dran zu bleiben und Achtsamkeit als einen Wert in unserer Familie zu leben und immer mehr zu integrieren.
Was versteht man unter Achtsamkeit?
Folgende Gedanken und Sichtweisen sind mir wichtig geworden, um zu verstehen worum es bei Achtsamkeit überhaupt geht. Dies hilft mir, Achtsamkeit im Alltag zu integrieren und zu leben.
Grundsätzlich ist „Achtsamkeit“ eine geistige Haltung – mir selbst und anderen gegenüber.
Jon Kabat Zinn, der Begründer des MBSR (Mindful Based Stress Reduction – Konzepts), sieht darin 9 Grundhaltungen integriert:
- Anfängergeist
- Nicht-Urteilen
- Akzeptanz
- Loslassen
- Vertrauen
- Geduld
- Nicht-Streben
- Dankbarkeit
- Großzügigkeit
Das klingt zunächst einmal abstrakt und vielleicht auch etwas sperrig.
Zu Beginn sind oft solche Gedanken in mir aufgetaucht: „Oh wie kann ich das nur umsetzen“? Wie soll ich noch Zeit für ein weiteres To-do haben, wie zum Beispiel regelmäßig und lange zu meditieren?
Im Alltag mit zwei kleinen Kindern fand ich das irgendwie schwer vorstellbar.
Ich war erleichtert zu hören, dass Achtsamkeit jederzeit im Alltag stattfinden kann und dabei ein Teil meines Handelns und Erleben im Alltag werden kann. Ebenso, dass ich eine achtsame Haltung jederzeit bei kleinen Alltagsdingen einnehmen kann.
Denn zunächst einmal geht das darum, im gegenwärtigen Moment – im Hier und Jetzt – präsent zu sein, mit all den Gedanken, Gefühlen und Emotionen, die gerade da sind. Dabei gibt es kein richtig oder falsch (Nicht-Urteilen), sondern alles das, was da ist, ist völlig in Ordnung und darf so sein.
Gleichzeitig kann ich mit einer achtsamen Haltung meine Aufmerksamkeit für die vielen kleinen Dinge, die tagtäglich sei es mit den Kindern oder anderen Menschen in meinem Umfeld geschehen, stärken und meine Wahrnehmung schulen.
Denn auch ein ganz normaler Alltag mit seinen Herausforderungen und Aufgaben, hält dennoch viele dieser schönen Momente bereit. Nur manchmal zeigen sie sich nicht so direkt.
Mit diesem Ansatz konnte ich mich absolut verbinden und habe mit kleinen alltäglichen Übungen begonnen, Achtsamkeit zu üben.
Was ist Achtsamkeit nicht?
Achtsamkeit ist keine Methode, um ein Ziel zu erreichen oder leistungsfähiger zu werden.
Wenn wir allerdings zur Ruhe kommen, achtsamer werden für und selbst und unsere Umgebung, dann hat das natürlich auch einen erholsamen Effekt auf unser Gehirn. Das führt wiederum dazu, dass wir vielleicht wieder mit mehr Energie und Kraft die Aufgaben in unserem Alltag bewältigen können.
Achtsamkeit ist auch kein spiritueller Weg oder nur während einer längeren Meditation möglich.
Meditation ist aber eine sehr gute Möglichkeit, um in eine offene Haltung zu kommen, die Wahrnehmung zu schulen. Dabei können Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen wahrgenommen und auch wieder losgelassen werden.
Wie hilft Achtsamkeit Eltern im Alltag zwischen Beruf und Familie?
Als Eltern haben wir die wundervolle Aufgabe, kleine und größere Menschen ins Leben zu begleiten, sie zu stärken und zu unterstützen.
Allerdings geraten wir dabei nicht selten in die „dreifache Optimierungsfalle“. So drückt es Jörg Mangold in seinem Buch „Wir Eltern sind auch nur Menschen“ aus. Wir wollen vieles richtig machen in der Erziehung unserer Kinder, uns optimieren, um gute Eltern zu sein. Gleichzeitig im Beruf die Anforderungen erfüllen, vielleicht sogar bei Freizeitaktivitäten Leistung erbringen. Und schließlich sind wir auch noch darum bemüht, unsere Kinder auf die gesellschaftlichen Anforderungen gut vorzubereiten. Dies kann im Alltag schnell stressig werden.
Wenn wir achtsamer unser Handeln und Verhalten im Familienalltag hinterfragen, können wir kleine Veränderungen bewirken sowie behutsamer mit uns selbst und unseren Familienmitgliedern umgehen.
Mein Aha-Moment in der Ausbildung „Achtsamkeit mit Kindern und Jugendlichen“ war: Es geht im ersten Schritt nicht um die Kinder oder Jugendlichen, sondern es geht erst einmal nur um mich: Meine Haltung, meine Gedanken, meine Gefühle, meine Reaktionen die sind entscheidend… Eine Erkenntnis die hängen blieb und mein gedanklicher Anker geworden ist im Alltag.
Gedanken, Gefühle und Emotionen wahrnehmen und besser kennen lernen
Wenn wir mehr erkennen, wie wir ticken und warum wir beispielsweise manchmal auch wütend oder schnell ungeduldig reagieren, dann kann das besonders für Eltern, die gerne mal streng mit sich selbst ins Gericht gehen, ein erster Schritt der Entlastung sein. Denn schnell tappen wir Eltern in die Falle, uns nach einer unangenehmen Situation mit unseren Kindern noch zusätzlich ein schlechtes Gewissen zu machen, wenn wir mit unserem Verhalten nicht zufrieden waren.
Gleichzeitig können wir lernen, immer mehr und eher wahrzunehmen, was gerade bei uns im Kopf abgeht und gegebenenfalls herausfordernde und eskalierende Situationen entkräften oder in eine andere Richtung lenken.
Manchmal ist das nicht in der Situation direkt möglich. Dann aber immerhin danach, wenn wir wahrgenommen haben, was los war und wir vielleicht auch überreagiert haben.
Durch das Üben von Achtsamkeit, lernen wir unsere Gedanken, Gefühle und Emotionen in schwierigen Momenten eher bzw. genauer wahrzunehmen und kennenzulernen. Im nächsten Schritt können wir überlegen, wie wir zukünftig mit solchen Situationen umgehen möchten und was wir uns für unsere Familie wünschen.
Letztendlich können wir lernen einen Raum zu schaffen zwischen einem Reiz und einer Reaktion.
Klarheit und eigene Grenzen besser kennen lernen
Kindern und Jugendlichen hilft es sehr, wenn Eltern wissen, wofür sie stehen und wenn Eltern erkennen, wo ihre Grenzen sind. Achtsam zu sein, hilft dabei, die eigenen Grenzen besser kennenzulernen und wahrzunehmen.
Oft fällt es uns als Eltern dann auch leichter, eine Bitte oder eine Anforderung zu formulieren, wenn wir diese mit Klarheit an unsere Kinder stellen.
Das heißt nicht, dass wir das mit einer gewissen oder unfairen Strenge tun müssen, sondern das kann genauso gut mit einer freundlichen Haltung und Zugewandtheit gelingen.
Gelassener werden
Gelassen zu werden, heißt nicht, dass es keine Grenzen oder Absprachen geben sollte zwischen Eltern und Kindern,/ Jugendlichen. Ebenso auch nicht, alles zu zulassen im Alltag mit Kindern, als es einem persönlich lieb ist nur um Konflikte zu vermeiden.
Mit Gelassenheit meine ich, hier mehr zu schauen, wie man gerade unterwegs ist. Hatte man einen anstrengenden Tag, ist selbst eher erschöpft, dann gelingt es manchmal eben nicht mehr so gut in herausfordernden Alltagssituationen mit Kindern und Jugendlichen gelassen zu bleiben und der Stresspegel steigt. Ist man dagegen ausgeglichener, kann man eher über Situationen hinweg schauen, die anders laufen als gewünscht.
Mit Achtsamkeit können wir unser generelles Stress-Level senken und unser eigenes Fürsorge-System aktivieren, was uns gelassener werden lässt gegenüber vermeintlichen Alarmsituationen, die vielleicht mit ein bisschen Abstand gar nicht so schlimm sind. Achtsames Verhalten hilft uns, früher eine Art Stopp-Taste zu drücken in solchen Situationen.
Wenn Du mehr darüber wissen möchtest, was Du in solchen vermeintlichen Alarmsituationen kurzfristig tun kannst, um die Ruhe zu bewahren und gelassen zu bleiben, dann findest Du in diesem Artikel drei einfache Atemübungen dazu.
Entschleunigen vom Alltagsmodus
Eine achtsame Haltung kann Eltern dabei helfen, im Alltag zu entschleunigen.
Was passiert im schlimmsten Fall, wenn wir manchen Dingen mehr Zeit als geplant geben?
Diese Frage kann man sich immer wieder stellen, wenn es darum geht zu entscheiden, wofür wir unsere Zeit aufwenden wollen.
Die Eltern-Kind-Beziehung fördern
Manchmal sitze ich neben dem Kind im Kinderzimmer auf dem Boden, bin körperlich zwar anwesend, aber gedanklich ganz woanders. Oder ich suche nebenbei irgendetwas Wichtiges auf dem Handy.
Dabei ist das Spielen mit dem Kind eine schöne Einladung, sich vollkommen in Achtsamkeit für Eltern zu üben, einen Moment innezuhalten und wahrzunehmen, was gerade ist.
Diese Art der vollen Aufmerksamkeit fördert gleichzeitig die Eltern-Kind-Beziehung. Denn das Kind erlebt Mama oder Papa sind gerade ganz bei mir und ich bin wichtig.
Ein anderer Aspekt, der sich förderlich auf die Eltern-Kind-Beziehung auswirkt, ist es zu lernen, mit Gefühlen und Emotionen des Kindes auf eine achtsame Art umzugehen.
Alle Gefühle und Emotionen sind generell ok und kein Gefühl ist schlecht, sondern es ist einfach da. Wenn wir die Gefühle und Emotionen lernen anzunehmen, lernt unser Kind „Ich bin ok“ und darf so sein, was wiederum die Eltern-Kind-Beziehung stärkt.
Das heißt gleichzeitig nicht, dass darauf folgendes Verhalten toleriert werden muss, vor allem wenn es andere verletzt. Da gilt es klar zu sein und das Verhalten zu beenden. Über das Verhalten selbst, sollte dann, wenn die Gefühle und Emotionen wieder beruhigt sind, mit dem Kind ein Gespräch darüber zu führen, was das Verhalten ausgelöst hat und was da gerade los war. Dabei ist es wichtig, sich auf das Verhalten zu beziehen und nicht die Emotion oder das Gefühl.
Was kann ich im Alltag konkret ausprobieren?
- Beobachte Dich selbst im Alltag
- Wobei fühlst Du dich vielleicht gehetzt oder kommt Stress auf?
- Wie präsent bist Du im Spiel mit deinem Kind?
- Welche eine Tätigkeit im Alltag möchtest du achtsamer ausführen?
- Schenke einer Tätigkeit im Alltag deine volle Aufmerksamkeit und nutze dabei all deine Sinne. Dies kann etwas sein, wie morgens den Kaffee kochen.
- Nimm Dir Zeit für eine 3 Minuten Pause. Schließe die Augen und konzentriere dich ganz auf deinen Atem, ohne diesen zu verändern. Nimm ihn so an wie er gerade ist. Lass Gedanken kommen und gehen. Vertiefe dann deine Atemzüge und versuche noch etwas länger auszuatmen als einzuatmen.
Erzähle mir gerne in den Kommentaren, welchen Tipp Du ausprobieren möchtest.
In meinem Elternkurs „Mindful Compassionate Parenting“ kannst Du noch mehr über Achtsamkeit für Eltern zur Stressbewältigung lernen und Dich mit anderen Eltern austauschen.
Quellen in diesem Text: Mangold, Jörg: Wir Eltern sind auch nur Menschen. Arbor Verlag: Freiburg.
Liebe Kathrin, danke für den Reminder und die kleinen Anregungen für den Alltag. Gerne mehr davon!
Liebe Grüße
Lucia