Der Alltag als Familie ist vollgepackt mit Aufgaben und Erledigungen. Da verliert man gerne mal leicht den Überblick bzw. hat ständig das Gefühl, etwas Wichtiges vergessen zu haben.
Neben den vielen kurzfristigen Aufgaben, die anfallen, tauchen daneben auch aufwendigere Themen auf, wie zum Beispiel die Steuer zu erledigen oder anderer Papierkram.
Bei all den vielen Aufgaben, die im Kopf ihre Kreise drehen, kommen dann oft die eigenen Bedürfnisse und wohltuenden Termine zu kurz oder werden nach hinten priorisiert.
Dann gibt es Tage, die wunderbar durchgeplant sind und man hat das Gefühl, jetzt läufts – Schwupps wird das Kind krank. Ach, du kennst das sicherlich :D… Dennoch ist es gerade für diese Unvorhersehbarkeiten im Alltag umso wichtiger, zu entscheiden und zu priorisieren, was wirklich erledigt werden muss und was warten kann.
Da unsere Zeitfenster vor allem als Eltern, ja aber bekanntlich nicht groß sind und meist vordefiniert durch Betreuungszeiten, Arbeitszeiten oder Freizeitaktivitäten der Kinder, ist es hilfreich, immer wieder neu zu priorisieren und Entscheidungen zu treffen, was gerade vorrangig ist.
In diesem Artikel geht es darum, wie es dir leichter fallen kann zu priorisieren und zu entscheiden, was als Nächstes dran ist, um deine persönlichen Ressourcen gut einsetzen zu können.
Was heißt es zu priorisieren?
Priorisieren heißt „Festlegen, was vorrangig ist“* und zusätzlich kann man anhand dieser Kriterien differenzieren:
1. Ein zeitliches Vorgehen
2. Eine größere Bedeutung, Vorrang, Vorrangigkeit
3. Eine Rangfolge; Stellenwert, den etwas innerhalb einer Rangfolge einnimmt
*(Quelle: Duden | Priorität | Rechtschreibung, Bedeutung, Definition, Herkunft, letzter Zugriff 31.01.23)
Aber was ist denn gerade vorrangig für mich? Wie lege ich das fest?
Im Familienalltag geht es immer darum, neu zu entscheiden, was gerade vorrangig ist. Zu überlegen, nach welchem Kriterium ich etwas entscheiden möchte, ist manchmal eine herausfordernde Aufgabe. Vor allem, wenn auf Eltern viele unterschiedliche Themenfelder einprasseln.
Die Entscheidung für eine Sache bedeutet gleichzeitig, sich gegen etwas anderes zu entscheiden. Klingt simpel und logisch, nur setzen wir es im Alltag manchmal gar nicht so leicht um.
Warum fällt es uns so schwer zu priorisieren?
Häufig fällt uns das Priorisieren schwer, weil wir durch äußere Anforderungen und Bedingungen eingeengt und gesteuert sind. Deshalb ist ein erster Schritt zu schauen, in welchen Lebensbereichen und Situationen wir autonom Dinge entscheiden können.
Eltern zwischen Berufstätigkeit und Familienarbeit sind hier meist sogar doppelt fremdgesteuert.
Daher ist es zunächst einmal wichtig zu erkennen, was man selbst in dieser Situation beeinflussen kann und wie man mit Unvorhergesehenem umgeht.
Warum gelingt es mir nicht die Dinge im Alltag zu priorisieren?
- Notiere Dir, was Dich aktuell daran hindert bzw. deine größte Herausforderung ist, um Dinge zu priorisieren
- Fehlt es an Klarheit? An Struktur? Ist der Alltag einfach selbst zu voll? Gibt es viele Dinge auf der Liste, von denen Du eher fremdgesteuert bist und es nicht selbst entscheiden kannst?
- Was nervt Dich am meisten?
- Was fehlt Dir?
- Was fällt in deiner Priorisierung immer hinten runter und was möchtest du ändern?
Welche Herausforderungen gibt es beim Priorisieren?
Wäre ja schön, wenn es immer so einfach wäre mit der Priorisierung der Aufgaben im Alltag. Aber im Alltag warten so einige Gründe und Herausforderungen, welchen wir uns manchmal stellen müssen.
Ich kann mich nicht entscheiden, was ich als nächstes tun soll
Zu viele Optionen im Kopf und Gedanken über „Was wäre wenn … und sollte ich nicht …“ überfordern unser Gehirn. Unser Gehirn ist nicht in der Lage, mehrere Entscheidungen gleichzeitig zu treffen. Der Neurowissenschaftler Henning Beck spricht hier vom Overchoice-Effekt (siehe Auswege aus dem Overchoice-Effekt: Gezielter Stress als Entscheidungshilfe · DLF Nova (deutschlandfunknova.de).
Dabei helfe es, die Optionen, die zur Auswahl stehen, zu reduzieren. Zusätzlich haben wir unterbewusst aber auch meist schon Entscheidungen getroffen, diese sind uns nur nicht immer bewusst zugänglich. Ein ruhiger Moment, eine Auszeit, ein Spaziergang sind dann erste Möglichkeiten mit dem Unbewussten oder auch Bauchgefühl wieder mehr in Kontakt zu kommen und Klarheit zu bekommen.
Auch klar auszusprechen und zu sagen: Ich kann gerade keine Entscheidung treffen. Das kann eine Entlastung sein, wenn man im Stress überfordert ist, eine Entscheidung zu treffen, die sich richtig anfühlt, sei sie noch so klein oder groß.
Ich habe zwar priorisiert, aber ich kann mich einfach nicht motivieren die Aufgaben anzugehen
Endlich ist die Steuererklärung auf deiner Prioritäten-Liste nach vorne gerückt, aber jetzt fällt es Dir dennoch schwer, den Anfang zu finden?
Erinnerst Du dich an einen Moment, in welchem Du richtig motiviert und voller Tatendrang warst? Wahrscheinlich war es eine Tätigkeit, hinter welcher Du einen Sinn gesehen hast und ein Motiv.
Die gute Nachricht: Motivation kann man selbst erzeugen, trainieren und zu einer Gewohnheit machen.
Der positive Effekt dabei: Je mehr Erfolgserlebnisse entstehen, desto mehr Motivation ziehen diese automatisch nach sich.
Motivation ist der Motor und Antrieb für unser Verhalten. Wenn der Motor läuft, komme ich in Bewegung.
Im Begriff Motivation steckt das Wort Motiv drin. Wer gute Gründe für sein Handeln und Verhalten findet und dieses mit den eigenen Werten verbindet, der hat schon einen ersten wichtigen Schritt getan, um den Motor anzuschalten. Die Motivation für eine Sache ist oft auch abhängig von der Willenskraft. Wenn diese nicht ausreicht, fällt uns die Umsetzung einer Tätigkeit schwer.
- Was könnte das für das leidige Thema Steuererklärung zum Beispiel sein?
- Welche Aufgaben und Themen erfordern eine hohe Willenskraft in deinem Alltag?
Ich lenke mich mit anderen Dingen ab
Voller Tatendrang beginnst Du eine Aufgabe – und dann fällt Dir ein: Ach, ich wollte doch aber noch schnell die eine Überweisung tätigen, nur kurz etwas aufzuräumen oder diese eine Nachricht beantworten.
Im vollgepackten Familienalltag verlieren wir einfach gerne den Fokus auf die Dinge, die uns auch langfristig wichtig sind. Denn es gibt immer so viel Kleinkram zu erledigen, und es macht ja auch ein gutes Gefühl, diese abzuarbeiten und abgeschlossen zu haben. Nur bleibt die Zeit für größere Aufgaben und Projekte, die uns vielleicht langfristig wichtiger wären, auf der Strecke. Ein Beispiel aus meinem Alltag: Wir haben ein furchtbar unordentliches „Arbeitszimmer“ oder eher aktuell auch Abstellzimmer genannt. Jedes Mal gehe ich rein und denke: Ich muss dringend da ran. Aber ich komme meist nicht dazu, da in der kurzen Zeit, die mir zur Verfügung stehen würde, so viel anderer Kleinkram mir in die Finger fällt, dass das Zeitfenster schon wieder nicht mehr ausreicht. Das langfristige Gefühl der Unzufriedenheit bleibt.
Vor welcher Aufgabe lenkst Du dich im Alltag gerne ab?
Ich habe mir zu viel eingeplant
Ein voller Wochenplan, eine lange Aufgabenliste mit zu vielen Themen und Erledigungen, kann schnell zu Frust führen, wenn man am Abend oder am Ende der Woche merkt, dass man wieder nicht alles gepackt hat. Und meistens wird auch nicht alles zu schaffen sein, denn wir tendieren dazu, uns den Tag zu voll zu packen. Häufig treiben uns dabei unsere inneren Antreiber an.
Oder wir unterschätzen auch den zeitlichen Aufwand von Themen oder Erledigungen.
Auch gibt uns eine volle Aufgabenliste oft ein gutes Gefühl: Ich habe etwas geschafft oder genug geleistet. Eltern kennen das nur zu gut, wenn man manchmal nur wenige Dinge vor allem mit einem Baby/ Kleinkind zu Hause erledigen konnte, überkommt einem schnell das unbehagliche Gefühl, nicht genug geleistet oder getan zu haben.
Um dieses unangenehme Gefühl zu umgehen, packen wir einfach gerne noch mehr auf unsere Aufgabenliste, um wieder das Gefühl zu bekommen, alles unter Kontrolle zu haben und genug zu leisten.
Unvorhersehbares geschieht
Eltern können ein Lied davon singen, – ein noch so gut strukturierter Wochenplan wird schnell durcheinandergewirbelt, sobald ein Kind krank wird oder die Kita verkürzte Öffnungszeiten hat. Oder sonstige unvorhergesehenen Dinge passieren. In diesen Momenten müssen wir akzeptieren, dass wir es nicht ändern können. In Stress geraten wir vor allem dann, wenn wir langfristig keinen Puffer in unsere Wochenzeit eingeplant haben.
Konkrete Umsetzungsideen für den Alltag
Reduziere und sortiere die Anzahl der am höchsten priorisierten Themen (zeitliche Priorität)
Schaffe Dir zunächst einmal einen Überblick über all die Themen, die in deinem Kopf umherschwirren und nach „bitte erledige mich“ rufen.
Nimm Dir ein Blatt Papier und schreibe alle Aufgaben, die Dir gerade in den Sinn kommen auf ein Blatt. Es können auch wiederkehrende Aufgaben im Haushalt oder Einkaufen sein.
Markiere nun die Themen, bei denen Du jetzt gerade keinen Zeitdruck verspürst. Hinter diese schreibst du die Zahl drei.
Dann gehst du einen Schritt weiter und schaust dir die Liste an: Markiere die Themen, die mittelfristig aber nicht superdringend erledigt werden müssen mit einer zwei.
Im Hinterkopf hilft dir die Frage: Warum ist es wichtig? Warum bekommt es diese Zahl?
Nun bleiben noch ein paar Themen übrig. Diese sind die deine Aufgaben, die momentan am dringlichsten sind und als Erstes erledigt werden sollten.
Schau, dass sich diese auf 3-5 beschränken. Vielleicht kann das ein oder andere doch noch in seiner Priorität verändert werden?
Sortiere Aufgaben nach Bedeutung/ Nutzen
Eine weitere Vorgehensweise ist es, die Aufgaben nach ihrer Bedeutung und ihrem Nutzen für Dich zu sortieren. Nun schaust du Dir an, was diese Woche am dringlichsten ist, markierst diese mit einer Farbe.
Mit einer anderen Farbe markierst Du die Aufgaben, die eine hohe Bedeutung für Dich haben, weil sie Dir wichtig sind: Deiner Gesundheit dienen, deinem Wohlbefinden, Dich zufrieden machen oder Du einfach Spaß daran hast.
Themen, hinter denen Du vor allem auch einen Nutzen und Wert für Dich und deine Familie siehst.
Denke dabei daran, dass auch Zeitfenster für das eigene Wohlbefinden gerade im Elternalltag eine hohe Bedeutung und langfristige Nützlichkeit in Bezug auf deine Gesundheit haben.
Sortiere Aufgaben nach Anforderung
Eine andere Herangehensweise für die Priorisierung von Aufgaben kann die Frage sein, wie anspruchsvoll eine Aufgabe ist bzw. ob die Aufgabe viel Konzentration erforderlich ist. Oder lässt sie sich auch eher nebenbei erledigen?
Hilfreiche Fragen zur Sortierung können sein:
- Wann kann ich konzentriert arbeiten?
- Welche Aufgaben benötigen Wachheit und Konzentration?
- Welche Zeitfenster habe ich zur Verfügung bzw. kann ich mir blocken und freihalten?
Entscheide mutig, was gerade wichtig und vorrangig ist
Oben im Text hast Du vielleicht gelesen, dass unser Gehirn überfordert wird, wenn wir viele Entscheidungen zu treffen haben. Oft kreisen wir um unsere Gedanken und eine nicht getroffene Entscheidung wird zu einem regelrechten Energiefresser.
Übe Dich darin, Entscheidungen zu treffen, um Zeit zu finden für die Dinge, die Dir wichtig sind.
Folgende Fragen können Dir dabei helfen:
- Mit welchen Konsequenzen könnte ich besser umgehen?
- Was löst eine Entscheidung in mir aus?
- Warum fällt es mir so schwer, die Entscheidung zu treffen?
- Was denke ich passiert, wenn ich mich für die eine Sache entscheide?
- Was denke ich passiert, wenn ich mich für die andere Sache entscheide?
Finde motivierende Gründe für weniger attraktive Aufgaben
Aufgaben, die wir nicht sinnvoll finden oder hinter welchen wir im ersten Moment keinen Nutzen sehen, sind wenig motivierend. Die Überwindung und Willenskraft, eine derartige Aufgabe anzugehen, kostet uns daher oft Zeit und Energie.
Vor allem lenken wir uns auch gleichzeitig viel schneller von der Aufgabe ab. Motivierend kann sein, die Aufgabe in kleine Unteraufgaben zu zerlegen.
Du möchtest das Arbeitszimmer ausmisten? Dann nimm Dir erst einmal nur den ersten Schrank oder eine Schublade vor. Dann hast Du leichter ein Erfolgserlebnis. Wir nehmen uns oft zu viel und zu große Aufgaben vor. Schau mal kritisch über deine Liste, welche kleineren Schritte sinnvoll sind.
Frag Dich:
- Warum ist es mir wichtig, diese Aufgabe zu erledigen?
- Wofür habe ich mehr Zeit und Freiraum, wenn ich diese eine Sache erledigt bekomme?
Schaff dir einen möglichst ablenkungsfreien Arbeitsplatz
Du hast Dir für heute endlich vorgenommen, die Ablage zu bearbeiten oder endlich die Steuererklärung zu erledigen? Um in deinem wahrscheinlich eher kurzen und getackten Zeitfenster möglichst rasch vorwärtszukommen, schaff Dir einen ablenkungsfreien Arbeitsplatz.
Manchmal ist auch ein Ortswechsel hierzu hilfreich. Oder Du legst das Handy an einen Ort und schließt alle Programme, die dich beispielsweise am Computer irgendwie ablenken könnten.
- Was lenkt Dich ab?
- Wie kannst Du es vermeiden?
- Wie gelingt es Dir, den Fokus zu halten? Warum ist es mir wichtig, diese Aufgabe heute zu erledigen?
Gehe kleinere Schritte und plane Puffer ein
Wie oben schon angesprochen, haben wir manchmal das Gefühl, alle Aufgaben sind gleichermaßen dringlich. Was aber natürlich nicht funktionieren kann.
Irgendeine Aufgabe ist eben doch noch dringlicher als die andere. Aber wir unterschätzen eben häufig den Aufwand hinter einer Tätigkeit, was sich wiederum auf die Priorisierung von anderen Dingen auswirken kann.
Versuche daher, die Aufgaben in kleinere Schritte zu unterteilen. So kannst du für zukünftige Aufgaben eher erkennen, wie viel Zeit einzelne Aufgaben brauchen und dieses realistischer Einschätzen zu lernen für zukünftige Planungen.
Sorge ebenfalls immer mal wieder für Pufferzeiten in deinen Kalender ein.
Bleibe gelassen
Es ist Montag Morgen, das Kind fiebert – Tschüss Aufgabenliste. Die Frage: Was ist jetzt gerade wirklich wichtig, bekommt noch einmal andere ganz andere Bedeutung. Dein Kopf arbeitet vielleicht noch im Hinterkopf: Mist, aber ich muss doch … ich sollte doch … aber wie mach ich das nur … Das ist normal und verständlich. Wir haben schließlich immer volle Tage und müssen eh schon schauen, wie wir rumkommen. Versuche gelassen zu bleiben und dir zu sagen: Ja, jetzt ist es so. Jetzt hat etwas anderes die Priorität.
Mehr über das Thema Gelassenheit kannst du im Elternkurs „Mindful Compassionate Parenting“ lernen.
Wenn man es im Alltag schafft, sich immer mal wieder die Frage zu stellen: Was tue ich und warum?, werden Prioritäten im Leben und Werte klarer:
Was sind die wirklich wichtigen Themen für mich und meine Familie?
Wofür möchte ich meine wirklich Zeit einsetzen?
Wenn Du Dich dahingehend tiefer mit der Frage beschäftigen möchtest, dann begleite ich Dich dabei gerne im 1:1 Coaching.
Ich hoffe, Dir hilft der ein oder andere Gedanke. Teile diesen gerne mit mir.