Die Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familie beschäftigt Eltern nicht erst, wenn das Baby geboren wurde, sondern bereits eine Weile vor der Geburt. Zum Beispiel bei den Fragen, wie viel Elternzeit man nehmen möchte, wann man denn plant, wieder in den Beruf einzusteigen oder wie man sich als Paar aufteilen möchte bei Erwerbs- und Care-Arbeit. Oft keine einfachen Fragen.

Insbesondere, wenn es das erste Kind ist, denn man weiß noch gar nicht, was auf einen zu kommt und wie der neue Alltag aussehen wird. Aber auch wenn es nicht das erste Kind ist, sind die Fragen nicht einfach zu beantworten, denn schließlich gilt es noch mal für einen Menschen mehr, die Verantwortung zu tragen und der Alltag wird noch einmal durchgewirbelt.

Auch im Freundeskreis ist die Vereinbarkeit oder vielmehr die Gleichzeitigkeit dieser Lebensbereiche eines der am meisten besprochenen Themen mit vielen Fragezeichen. In den Wintermonaten, wenn die Erkältungssaison so richtig im Schwung ist, bekommt die Frage nach der Vereinbarkeit so richtig Schwung im Familienalltag: Wer betreut das kranke Kind? Was sagen die KollegInnen, wenn ich wieder früher den Laptop zuklappen muss? Wer kann heute eher von der Arbeit zu Hause zu bleiben?

In diesem Artikel möchte ich verschiedene Ebenen betrachten, dabei aber weniger auf die strukturellen Hilfen eingehen, die Eltern bei der Vereinbarkeit helfen, sondern mehr die zwischenmenschliche Seite der Vereinbarkeitsfrage thematisieren.

Gleichzeitig wird deutlich, in welchen Bereichen wir mehr Einfluss haben als in anderen.

Was heißt Vereinbarkeit von Beruf und Familie?

Die Autoren der Seite Beruf und Familie erläutern folgendes zur Vereinbarkeit: Auszug aus „VereinbarkeitsABC – berufundfamilie Service GmbH“ :

„Als Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben können die Effekte des harmonisch gestalteten Zusammenspiels beruflicher und privater Aufgaben von Beschäftigten bezeichnet werden. Beschäftigte leisten selbst Beiträge zur eigenen Vereinbarkeit, indem sie ihre privaten Belange in bestimmter Weise organisieren können aber auch wesentliche Unterstützung durch eine familien- und lebensphasenbewusste Personalpolitik des Arbeitgebers erfahren. Vereinbarkeit heißt dabei auch stets, flexibel auf verschiedene Bedarfe in Bezug auf Beruf und Privatleben reagieren zu können“.

Diese Erläuterung zeigt sehr schön, dass es bei der Vereinbarkeit nicht nur um eine reine Privatangelegenheit geht, sondern dass gleichermaßen Bedingungen geschaffen werden sollten seitens der Arbeitgeber, die eine flexiblere Arbeitstätigkeit ermöglichen.

Welche Probleme gibt es bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie?

Wer Eltern fragt, was die Vereinbarkeit im Alltag so schwierig macht, bekommt häufig als Rückmeldung: Fehlende Kinderbetreuung, zu wenig Unterstützung im privaten Umfeld, aber auch die fehlende Flexibilität des Arbeitgebers. Neben diesen eher strukturellen bzw. organisatorischen Problemen kommen dann noch die eigenen Ansprüche und Erwartungen an sich selbst hinzu. Sei es als Mutter, Vater, Arbeitnehmende. Dies zusammen kann für einen hohen Belastungsgrad und emotionalen Stress sorgen.

Während über die strukturellen/ organisatorischen Probleme schon eher in der Öffentlichkeit besprochen werden, bleiben der emotionale Stress und die mentale Belastung allerdings im Verborgenen. Seinen Kollegen zu erzählen, dass man vielleicht gerade überfordert ist, mit Selbstzweifeln zu kämpfen hat und das „schlechte Gewissen“ an einem nagt, wenn man das Gefühl hat, entweder an der einen Stelle zu fehlen oder an der anderen, dann erfordert das ein hohes Maß an Vertrauen, Offenheit und Mut und Verständnis.

Nicht selten führen Vereinbarkeitsfragen auch zu zwischenmenschlichen Spannungen im Team. Dabei ist Vereinbarkeit nicht nur eine Elternthematik, sondern betrifft einen viel größeren Teil in Teams. Wenn jemand beispielsweise Angehörige pflegt, ein Ehrenamt ausführt oder auch ein zeitintensives Hobby. Vereinbarkeit kann viele Facetten haben. Daher kann es sich schnell ungerecht anfühlen, wenn nur die Herausforderungen der Eltern im Fokus stehen.

Auch kann darüber diskutiert werden, ob Vereinbarkeit der treffende Begriff ist – denn vielleicht geht es im Alltag eher darum wie ich beide Bereiche miteinander stimmig verbinden kann. Also vielmehr eine Verbindung von Beruf und Familie.

Ich nutze allerdings in diesem Artikel die im Sprachgebrauch häufiger verwendete Begrifflichkeit „Vereinbarkeit“.

Was hilft Eltern in der Praxis bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie?

Was hilft bei Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Auf gesellschaftlicher Ebene

Auf struktureller Ebene (Gesellschaftlicher Ebene) sind Eltern häufig leider den Betreuungs-Begebenheiten vor Ort sozusagen ausgeliefert. Das kann man gut so benennen, denn deutschlandweit gibt es von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Rahmenbedingungen in Bezug auf die geregelte Kinderbetreuung.

Während in Rheinland-Pfalz Kinder zum Beispiel ab 2 Jahren in den Kindergarten gehen können, ist es in Baden-Württemberg erst ab drei Jahren möglich. Wer vorher schon wieder mit der Erwerbsarbeit beginnen möchte, regelt dies privat oder über Tageseltern oder Krippe. Plätze unter 2 Jahren oder 3 Jahren, je nach Bundesland, fehlen aber häufig. Das ist sicherlich nur einer der vielen Punkte, die aus struktureller Sicht veränderbar sind.

Als Eltern helfen uns aber die politischen Diskussionen und Wünsche wenig, denn wir müssen praktikable Lösungen finden und frühzeitig uns mit der Thematik beschäftigen.

Zum Beispiel sollten Eltern bzw. bereits werdende Eltern sich frühzeitig um Unterstützung außerhalb der Betreuungseinrichtungen zu kümmern.

Es fühlt sich seltsam an, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen, noch im Wochenbett zu überlegen, ab wann das Kind in eine Einrichtung gehen soll und wohin …

Grundsätzlich sind Jugendämter, aber auch der Kinderschutzbund hier gute Ansprechpartner vor Ort. Ebenfalls ist es hilfreich, sich ein privates Unterstützungsumfeld zu schaffen. Wenn die Großeltern hier nicht zur Verfügung stehen können, sind es vielleicht die Nachbarn, befreundete Familien, Babysitter, die unterstützen können.

Auf Unternehmens-/Betriebsebene/ Führungskraft

Viele Unternehmen nennen sich heute „familienfreundlicher Arbeitgeber“. Was in der Praxis tatsächlich dahintersteckt, zeigt sich aber erst im Alltag. Dennoch hat sich viel getan in den letzten Jahren in Unternehmen, die Familien die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen möchten.

Viele Unternehmen bieten heute tolle Angebote für Eltern an. Sei es ein Betriebskindergarten, Jobsharing, finanzielle Unterstützungen, aber insbesondere flexible Arbeitszeiten und Homeoffice. All das sind hilfreiche Weichen für Eltern, um einer Erwerbsarbeit nachzugehen.

Eine offene und wertschätzende Unternehmenskultur auf Augenhöhe sowie Zutrauen, Vertrauen und Eigenverantwortlichkeit sind dabei grundlegende Haltungen, die im praktischen Tun die Umsetzung individueller Vereinbarkeitsmodelle im Arbeitsalltag ermöglichen. Immer wieder habe ich in Workshops zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie aber erlebt, dass hier die Führungskraft der entscheidende Faktor sein kann, ob individuelle Modelle im Alltag gelebt werden können oder nicht.

Dazu zählen beispielsweise, dass Stellen nicht flexibel an die veränderten Bedürfnisse angepasst werden können, dass Aufgabenpakete zu groß sind, dass RückkehrerInnen keine anspruchsvollen Aufgaben erhalten und zu wenig zugetraut wird oder wenn Meetings zu Zeiten angesetzt werden, die Eltern die Teilnahme erschweren. Kommunikationsbereitschaft, Offenheit und Veränderungsbereitschaft sind Qualitäten, die hier für gegenseitige Lösungen auf Augenhöhe sorgen können.

Die Führungskraft spielt auch insbesondere als Vorbild eine wichtige Rolle. Wenn Mitarbeitende erleben, dass die Führungskraft auch Kompromisse eingeht im Berufs- und Privatleben, erhöht das die Akzeptanz und den Mut, flexiblere Arbeitsmodelle auszuprobieren.

Auf Teamebene

Was auf Unternehmensebene oder auch von Führungskräften vorgelebt wird, spiegelt sich meist auch auf Teamebene wider, wenn es um grundsätzliche Haltungen und Werte geht: wie wertschätzende Kommunikation, gegenseitiges Vertrauen, aber auch Offenheit.

Auf Teamebene erlebe ich eine offene Haltung oft als Türöffner für Fragen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Dabei sollten innerhalb des Teams aber nicht nur die Vereinbarkeitsfragen von Eltern gehör finden oder in den Mittelpunkt gestellt werden. Oftmals entstehen gerade hierdurch Unstimmigkeiten innerhalb von Teams, wenn das Gefühl entsteht, es finden nur die Wünsche und Belange von Eltern Gehör und die anderen müssen sich anpassen. Letztendlich betrifft Vereinbarkeit jedes einzelne Teammitglied, sei es durch Familie, pflegende Angehörige, ein Ehrenamt, intensive Hobbies oder ähnliches.

Daher möchte ich mich hier bei der Frage: Was hilft Eltern bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie innerhalb von Teams eher von dieser Seite nähern: Wenn alle im Team die Möglichkeit haben, offene über Anliegen, private Herausforderungen und Wünsche an den Arbeitsalltag zu sprechen, sei es in Bezug auf Arbeitszeiten, Arbeitsteilung oder einzelne Aufgaben, dann erhöht dies die Zufriedenheit aller und reduziert das häufig genannte „schlechte Gewissen“.

Verständnis und Vertrauen sind dabei die Basis. Die Offenheit erhöht auch die Bereitschaft, eigene Vorstellungen und Interessen etwas zu lockern und nach Kompromissen innerhalb des Teams zu schauen.

Auf individueller Ebene

Auf individueller Ebene haben wir einen größeren Einflussbereich auf die Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Häufig wird hier die Frage nach der Aufteilung von Care-Arbeit und Erwerbsarbeit gestellt, wobei Familien im Alltag merken, dass es auch hier Einflüsse gibt, die eine gleichmäßige Aufteilung, wie sie heute oft thematisiert oder gefordert wird, nicht möglich machen. Der Wunsch nach diesem Ideal kann dann schnell zum Stresserleben führen.

Worauf wir einen großen Einfluss haben, sind unser eigenes Verhalten, unsere Kommunikation und unsere Vorstellung davon, wie wir unser Familienleben gestalten wollen. Aber auch zu erkennen und sich damit zu beschäftigen, warum es zum Beispiel schwerfällt, eine klare Trennung zwischen Arbeit und Freizeit zu ziehen. Woher das schlechte Gewissen gegenüber KollegInnen oder den Kindern kommt. Wieso wir uns manchmal nicht entscheiden können, ob wir zum Kindergartenfest gehen, obwohl doch noch die Weiterbildung stattfindet.

Auch wenn es nicht offensichtlich ist, können auch kleinen Entscheidungen innere Muster und Antreiber zugrunde liegen, die unser Handeln und Verhalten beeinflussen. Wie kleine Bienen schwirren die Gedanken rund um Entscheidungen durch den Kopf. Um beim Beispiel der Weiterbildung vs. Kindergartenfest zu bleiben, könnte das so aussehen: „Was denken die anderen, wenn ich jetzt früher gehe“. „Komm, jetzt zieh es durch“. „Die Kinder werden so traurig sein“. „Ich werde traurig sein, es ist doch das letzte Kindergartenfest für uns“. „Ich lasse sie allein“…. usw. .

Dieses Beispiel lässt sich auf zig andere Situationen übertragen, in denen wir uns als Eltern im Familienalltag zerrissen fühlen. Die Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familie bietet besonders viel Potenzial für dieses Gefühl von Zerrissenheit. Dann das zu machen, was einem persönlich am wichtigsten ist, braucht manchmal Mut, Wille, Akzeptanz, aber auch Gelassenheit.

Reflexionsfragen für den Alltag:

In welchen Situationen fühlst du dich im Alltag oft hin- und hergerissen?
Je nachdem wie du dich entscheidest oder wogegen: Die Antwort liefert Auskunft auf die Fragen:

  • Was ist im Moment wirklich wichtig?
  • Was brauche ich gerade?
  • Was kann ich eher aushalten?

Diese Fragen lassen sich genauso auf die Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familie übertragen:

  • Was ist mir im Moment am wichtigsten?
  • Was ist notwendig?
  • Was fehlt mir gerade?
  • Was kann ich beeinflussen und wie?
  • Welchen Spielraum habe ich für meine Entscheidung?
  • Wie gehe ich mit Gegenwind um?
  • Kann ich mutig und offen sagen, was ich gerade brauche?
  • Was hält mich ab bzw. was treibt mich gerade an?

Die Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist also vielschichtig und die Verantwortung liegt weder nur bei der Gesellschaft, dem Unternehmen, dem Team oder den Einzelnen, sondern es ist ein Zusammenspiel aller.

Persönlich können wir immer für uns schauen, ob wir eine Situation oder Gegebenheiten im Team oder Unternehmen akzeptieren wollen oder ob wir Einfluss nehmen wollen für uns persönlich. Das kann auch bedeuten, sich gegen einen Wiedereinstieg zu entscheiden, wenn Rahmenbedingungen nicht mit unseren Vorstellungen und Wünschen konform sind. Es kann aber auch sein, dass ein offenes Wort und klärendes Gespräch neue Wege eröffnen.


Im Coaching beschäftigen wir uns intensiv mit solchen Mustern und Antreibern, die uns manchmal die Entscheidungen so schwer machen. Aber auch wie du mit möglichen Konflikten leichter umgehen kannst oder diese vermeiden kannst.

Was hilft dir bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie? Schreib es gerne in die Kommentare.

Stehst du vor einer größeren Entscheidung?

Weißt du noch nicht genau, wie Du zu einem Ergebnis kommst oder was Du wirklich willst?

Das ist ein gutes Thema für ein Coaching. Als Coach kann ich dich in Entscheidungsprozessen unterstützen, nimm hier gerne Kontakt auf.